Robo-Advisors: Aufsichtsrechtliche Anforderungen an automatisierte Finanzbetreuung (2024)

Detailgrad der Empfehlung ausschlaggebend

Ob im Einzelfall eine Anlageberatung vorliegt, richtet sich jedoch nicht nach der Vollständigkeit des Fragebogens, sondern nach dem Detailgrad der Empfehlung:

  • Wird dem Kunden konkret vorgeschlagen, Aktie X, ETF Y und Fonds Z zu kaufen, liegt eine Anlageberatung vor.
  • Wird hingegen lediglich allgemein eine Aufteilung des Vermögens auf einen bestimmten Anteil Aktien, Anleihen und Edelmetalle vorgeschlagen, ist eine Anlageberatung zumeist ausgeschlossen.

Bei der aufsichtsrechtlichen Bewertung kommt es jedoch stets auf den konkreten Einzelfall an. In jedem Fall sollte das geplante Geschäftsmodell vorher aufsichtsrechtlich überprüft werden, um spätere unangenehme Überraschungen zu vermeiden.

Robo-Advisor als Anlagevermittler

Die Anlagevermittlung gemäß § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 1 KWG ist die Vermittlung von Geschäften über die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten. Diese liegt zum einen dann vor, wenn der Robo-Advisor als Bote des Anlegers gegenüber dem Anbieter des Finanzprodukts fungiert.

Ist es zum Beispiel möglich, von der Webseite des Robo-Advisors aus, ein angebotenes Finanzprodukt zu erwerben, liegt eine Anlagevermittlung vor. Aus dem Wortlaut der Vorschrift nicht leicht erkennbar, gilt darüber hinaus auch das gezielte Fördern der Abschlussbereitschaft des Anlegers als Anlagevermittlung. Hier existiert ein weites Feld, bei der die Abgrenzung zwischen erlaubnispflichtiger Anlagevermittlung und erlaubnisfreier Information schwerfällt.

Robo-Advisor als Abschlussvermittler oder Finanzportfolioverwalter

Die Abschlussvermittlung gemäß § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 2 KWG unterscheidet sich von der Anlagevermittlung dahingehend, dass der Vermittler nicht als Bote des Anlegers, sondern als dessen Vertreter auftritt. Welche der beiden Tatbestandsvarianten einschlägig ist, entscheidet sich nach der zivilrechtlichen Ausgestaltung des konkreten Einzelfalls.

Neben diesen Möglichkeiten tritt noch die (automatisierte) Finanzportfolioverwaltung gemäß § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 3 KWG. Dabei wird dem Kunden nicht nur einmalig die Anlage in bestimmte Finanzinstrumente empfohlen. Vielmehr werden die Angaben des Anlegers zu seinen Verhältnissen und Anlagezielen genutzt, um durch einen Algorithmus fortlaufend das Portfolio des Anlegers zu verwalten und zu verändern. Der Kunde trifft also die Anlageentscheidung nicht selbst. Das Depot des Kunden liegt dabei bei einer Depotbank, für die der Kunde dem Verwalter eine sogenannte Dispositionsvollmacht erteilt hat.

Kapitalanforderungen und Organisationsvorschriften

FinTechs, die eine der genannten Dienstleistungen erbringen wollen, müssen bestimmte Anforderungen erfüllen, um die erforderliche BaFin-Lizenz zu erhalten. Dazu gehört ein Anfangskapital von mindestens 50.000 Euro. Dazu müssen die Eigenmittelanforderungen der Capital Requirements Regulation und Capital Requirements Directive (CRR/CRD) erfüllt werden.

Zusätzlich haben solche Robo-Advisory-Firmen die Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten des 6. Abschnitts des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) zu beachten.Dazu gehört

  • die Einrichtung einer Compliance-Abteilung und einer Beschwerdestelle,
  • die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten gemäß § 34 WpHG,
  • die Erstellung eines Beratungsprotokoll bei der Anlageberatung. Dieses muss von demjenigen, der die Anlageberatung durchgeführt hat, unterschrieben werden.

Bei einer automatisierten Anlageberatung durch einen Robo-Advisor muss daher zunächst bestimmt werden, welcher natürlichen Person die Beratung zugerechnet werden kann. Dies kann im Einzelfall natürlich schwierig sein.

Selbiges gilt für das Erfordernis nach § 34d Abs. 1 WpHG, nachdem ein Unternehmen der BaFin anzeigen muss, wenn es einen Mitarbeiter zur Anlageberatung einsetzen will. Ist jemand, der einen Algorithmus zur Anlageberatung programmiert, Mitarbeiter im Sinne des Gesetzes? Auch hier bieten wir FinTechs unsere rechtliche Expertise an, damit sie gesetzlichen Anforderungen gerecht werden und die Erlaubniserteilung nicht gefährdet wird.

Identifizierung mit PostIdent- und VideoIdent-Verfahren

Hinzu kommen natürlich noch die Präventionsvorschriften des Geldwäschegesetzes:

  • Hierzu gehört neben allgemeinen Sorgfalts- und Meldepflichten insbesondere die Identifizierung des Vertragspartners bei Geschäftsaufnahme und verdächtigen Vermögensverschiebungen.
  • Da Robo-Advisors ihren Kundenkontakt regelmäßig ausschließlich online pflegen, ist eine Identifizierung vor Ort naturgemäß nicht möglich. Neben dem PostIdent-Verfahren bleibt somit nur das sogenannte VideoIdent-Verfahren.
  • Dabei sind jedoch die strengen Anforderungen der BaFin zu beachten, die regelmäßig von der BaFin überarbeitet und verschärft werden. Insbesondere muss die Identifizierung durch einen besonders geschulten Mitarbeiter in einem durch Zugangsbeschränkungen abgetrennten Raum erfolgen. Zudem ist gemäß § 25h Abs. 4 KWG ein Geldwäschebeauftragter zu bestellen.

Gewerberechtliche Erlaubnis durch Bereichsausnahme

Wer den Aufwand einer BaFin-Lizenz scheut, dem bietet die Bereichsausnahme des § 2 Absatz 6 Satz 1 Nr. 8 KWG einen Ausweg

  • Danach ist eine BaFin-Erlaubnis nicht erforderlich, wenn ausschließlich Anlageberatung oder -vermittlung in Bezug auf Aktien oder Anteile an offenen oder geschlossenen Investmentvermögen nach dem Kapitalanlagegesetzbuch sowie auf Vermögensanlagen im Sinne des Vermögensanlagengesetzes angeboten wird.
  • Investmentvermögen sind insbesondere Fonds.
  • Da gerade sogenannte Exchange-traded funds (ETFs) bei zahlreichen Robo-Advisors als Grundbaustein der Vermögensberatung genutzt werden, bietet sich auf dem Weg der Bereichsausnahme also eine gute Möglichkeit, der strengen Aufsicht durch die BaFin zu entgehen.

Erlaubnis gemäß § 34f GewO

Erlaubnisfrei sind allerdings auch solche Tätigkeiten nicht. Vielmehr benötigen Unternehmen, die im Rahmen der Bereichsausnahme tätig werden wollen, eine gewerberechtliche Erlaubnis gemäß § 34f der Gewerbeordnung (GewO). Diese wird nicht einfach auf Antrag erteilt, sondern benötigt eine vorhergehende Sachkundeprüfung gemäß § 1 der Finanzanlagenvermittlungsverordnung bei der zuständigen Industrie- und Handelskammer:

  • Anstelle von Anfangskapital benötigt der Erlaubnissuchende eine Berufshaftpflichtversicherung über mindestens 1.130.000 Euro pro Versicherungsfall.
  • Parallel zu den Anforderungen des Wertpapierhandelsgesetzes hat auch ein nach § 34f GewO agierendes Unternehmen Informationen über die Vermögensverhältnisse und die finanziellen Ziele seiner Kunden einzuholen.
  • Ebenso hat es ein Protokoll über die Anlageberatung zu erstellen. Dieses muss grundsätzlich in Schriftform und auf Papier geschehen. Eine elektronische Abschrift genügt nur, wenn der Kunde sich ausdrücklich damit einverstanden erklärt.

Erlaubnisfreiheit eines Robo-Advisors durch Kooperation

Eine geschickte Möglichkeit, die Erlaubnispflichten sowohl nach dem KWG als auch nach der GewO komplett zu umgehen, ist die Kooperation mit einem bereits entsprechend regulierten Institut. In einer solchen Kooperation übernimmt das regulierte Institut - z.B. eine Bank - die aufsichtsrechtlich relevanten Tätigkeiten.

Das FinTech würde sich dabei auf die Fortentwicklung des Robo-Advisors konzentrieren und damit lediglich das „FrontEnd“ für den Anleger bereitstellen. Das FinTech-Unternehmen wäre somit der regulatorischen Anforderungen entledigt und könnte gleichzeitig von der BaFin-Lizenz des kooperierenden Instituts profitieren.

Allerdings muss dabei beachtet werden, dass der Kooperationsvertrag präzise formuliert ist, die Aufgabenverteilung klar ist und dies auch tatsächlich so durchgeführt wird. Fehler an dieser Stelle können rasch zu einem Verstoß gegen das Aufsichtsrecht führen. Darüber hinaus sollte hinsichtlich der Geschäftsidee auch klar geregelt werden, wem welche Markenrechte und welches geistige Eigentum (IP) zustehen soll.

Robo-Advisors: Aufsichtsrechtliche Anforderungen an automatisierte Finanzbetreuung (2024)
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Author: Clemencia Bogisich Ret

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