50% weniger Bankarbeitsplätze in Deutschland durch Digitalisierung (2024)

Die Digitalisierung verändert nicht nur Organisationen und Geschäftsmodelle, sondern auch die Art und Anzahl der Arbeitsplätze in der Finanzwirtschaft. Viele werden entfallen, einige werden sich stark verändern und gänzlich neue werden entstehen.

Die fortschreitende Digitalisierung betrifft nicht nur Produktionsunternehmen, auch der Finanzwirtschaft stehen große Umwälzungen bevor. Viele der traditionellen Arbeitsplätze bei Banken werden entfallen, einige werden sich stark verändern und gänzlich neue werden entstehen. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, welche Bankarbeitsplätze von Maschinen ersetzt werden und wie Arbeit sich in den kommenden zwanzig Jahren verändern könnte.

Vielzahl an Arbeitsplätzen durch Digitalisierung gefährdet

Die Auswirkungen der Digitalisierung und Automatisierung auf die Arbeitskräfte werden zurzeit von den verschiedensten Institutionen thematisiert. Eine Studie für den US-amerikanischen Arbeitsmarkt (Frey/Osborne (2013): The Future of Employment) besagt, dass in den kommenden zwanzig Jahren knapp die Hälfte aller Arbeitsplätze Robotern und Computern zum Opfer fallen werden. Dabei handelt es sich nicht nur um unqualifizierte blue-collar-Jobs, sondern auch um qualifizierte white-collar-Arbeitsplätze. Nicht nur Lastwagenfahrer müssen um ihre Arbeit fürchten, auch Banker sind betroffen. Inwieweit die verlorenen Arbeitsplätze durch neue ersetzt werden können, lässt sich nur schwer einschätzen. Sicherlich werden durch die Digitalisierung neue Arbeitsplätze entstehen, von denen man heute noch keine Vorstellung hat – dies hat uns die Geschichte der Industrialisierung gelehrt. Dennoch gehen die meisten Studien von einem Netto-Verlust von Arbeitsplätzen aus. Hier muss gesellschaftspolitisch überlegt werden, wie die Verlierer entschädigt werden können.

Ganz allgemein lässt sich über die Zukunft der Arbeit sagen, dass viele Aufgaben, die heute noch von menschlicher Arbeitskraft erledigt werden, von Maschinen oder Algorithmen übernommen werden. Dies sind automatisierbare, häufig vorkommende Arbeiten mit hohem Datenvolumen. Hier sind Maschinen dem Menschen eindeutig überlegen. Jobs, die auch zukünftig von Menschen übernommen werden, betreffen neuartige Aufgaben und Situationen. Aufgrund der fehlenden Vergangenheitsdaten sind zur Lösung dieser Probleme Menschen besser geeignet als Maschinen. Dennoch wird auch bei solchen Aufgaben eine Kombination von Mensch und Maschine die besten Ergebnisse liefern.

Trends der Digitalen Arbeit von morgen

Im Jahr 2015 hat die Universität St. Gallen zusammen mit Shareground eine Studie „Arbeit 4.0“ veröffentlicht, die einige Trends der Digitalen Arbeit aufzeigt. Dabei wird unterschieden zwischen den Auswirkungen auf die Organisation, die Arbeit und die Führung.

Organisation der Arbeit verändert sich

Die heute noch übliche Organisation löse sich auf, neue Arbeitsplätze besäßen keine eindeutige organisationale Zugehörigkeit. Nicht mehr die Organisationszugehörigkeit der Fachkräfte leite ihre Loyalität, sondern allein die fachliche Expertise. Zusätzlich würden hoch qualifizierte Fachkräfte nicht mehr eingestellt, sondern „on-demand“ beauftragt und die komplexen IT-Systeme geben Abläufe und Organisationsformen vor. Aus Kostengründen werde die Organisation an die Software angepasst und nicht umgekehrt.

Neue Formen der Zusammenarbeit

Bei der Arbeit wandelt sich die Rolle des Menschen vom Ausführen der Arbeitsleistung zum Überwacher der Maschinen. Verschiedene Formen der Zusammenarbeit würden zukünftig koexistieren: Menschen, die Maschinen steuern, Maschinen als Kollegen bis hin zu Mensch-Maschine-Systemen, also einer Verschmelzung oder der vollständigen Übernahme durch Maschinen. Analysen würden übergangsweise durch Crowdworker im Akkord erbracht, langfristig jedoch gänzlich digitalisiert. Die Fähigkeit, riesige Datenmengen sinnvoll zu kombinieren und zu interpretieren, bleibe jedoch eine menschliche Schlüsselqualifikation. Auch kreative Tätigkeiten und nicht-lineares Denken blieben eine menschliche Domäne, ebenso wie die personenbezogenen Dienstleistungen. Aus diesen Trends ergibt sich Selbstmanagement und technisches Können als Kernqualifikationen der zukünftigen Arbeitskräfte.

Führung wird (noch) anspruchsvoller

Für die Unternehmensführung ergäben sich aufgrund der genannten Trends verschiedene Herausforderungen. Dazu zähle, dass physische Büros nur noch temporär genutzt würden, standardisierte Tätigkeit intuitive Bedienbarkeit der IT-Benutzeroberflächen erfordern und sich die Bindung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber auflöse. Die flexiblen Arbeits- und Kooperationsformen erschwere die systematische Personalentwicklung. Führungskräfte müssten lernen als Motivator zu agieren, nicht als Kontrolleur, da die Präsenzkultur von einer Ergebniskultur ersetzt werde. Das zunehmende Innovationstempo verlange von den Führungskräften sowohl eine Effizienzsteigerung im profitablen Kerngeschäft als auch die Transformation bestehender Geschäftsmodelle.

Bankgeschäfte im Zeichen von Arbeit 4.0

Welche Auswirkungen haben diese Entwicklungen nun auf das Bankgeschäft im Besonderen? In meinem letzten Beitrag an dieser Stelle hatte ich argumentiert, dass Banken überflüssig werden, sofern sie es kurzfristig nicht schaffen, sichere und benutzerfreundliche Banking-Plattformen zu etablieren. Bei aller Kritik an der vermeintlichen Unfähigkeit der Banken, sich bei der Digitalisierung gegenüber FinTechs zu behaupten, muss auch gesagt werden, dass in den letzten dreißig Jahren der Bankbetrieb bereits stark automatisiert und digitalisiert wurde. Viele qualifizierte Arbeitskräfte wurden bereits eingespart. Die Servicemitarbeiter wurden durch Kontoauszugsdrucker ersetzt, Überweisungen werden online, teilweise mit einem Foto der Rechnung, getätigt und Kassierer wurden von Geldautomaten abgelöst. Dennoch stehen alle Kreditinstitute unter enormem Kostendruck, der auf den intensiven Wettbewerb und die andauernde Niedrigzinsphase zurückzuführen ist. Dementsprechend sollten die Banken die Digitalisierung als Chance zur mittel- bis langfristigen Kostensenkung begreifen, auch wenn hohe Anfangsinvestitionen und ein grundsätzliches Überdenken ihres Geschäftsmodells notwendig sind.

Unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten der Automatisierung von Bankarbeitsplätzen

Aus der o.g. Frey/Osborne-Studie wurden für verschiedene Bankarbeitsplätze die Wahrscheinlichkeiten ihrer Automatisierung abgeleitet (Schüffel (2016). Nach den vorherigen Ausführungen überrascht es nicht, dass Buchhalter, Kreditsachbearbeiter, Kreditanalysten, Kassierer und Mitarbeiter zur Dateneingabe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ihre Jobs an Maschinen verlieren werden. Sofern diese Aufgaben nicht schon heute von Maschinen erledigt werden, wird dies in naher Zukunft passieren. Aber auch höher qualifizierte Arbeitsplätze werden zunehmend von Computern übernommen. Dazu zählen Mitarbeiter in der Verwaltung, Volkswirte und persönliche Finanzberater. Mit einer mittleren Wahrscheinlichkeit der Übernahme ihres Jobs durch Robo-Advisor können Finanzberater noch hoffen, dass Kunden die persönliche Beratung bei Geldgeschäften weiterhin höher schätzen, als die objektivere, computergesteuerte Beratung. Laut Studie sind die Arbeitsplätze im Bankmanagement und der Finanzanalyse am wenigsten gefährdet. Bei den Analysten sehe ich die Wahrscheinlichkeit jedoch höher. Bereits heute werden Analysen automatisiert und die Ergebnisse sind teilweise besser als bei den menschlichen Analysten.

Inhalte der Arbeit verändern sich

Die Hypothese scheint sich zu bestätigen, dass sich wiederholende, mit großen Datenmengen verbundene Aufgaben zu einem großen Teil automatisiert werden. Für die Zukunft rechne ich auch in den Bereichen damit, in denen das Vertrauen in Menschen momentan noch höher ist als in Computer. Dies betrifft z.B. Anlageberater sowie Finanz- und Ratinganalysten, da Maschinen keine dem Menschen eigene Vorlieben oder Neigungen aufweisen und bei dem vorhandenen Datenmaterial objektivere und bessere Ergebnisse liefern. Klar ist jedoch, dass die verbleibenden Bankarbeitsplätze sowohl hohe IT- als auch ökonomische Kenntnisse erfordern. Die Managementebene muss lernen, ergebnisorientiert und nicht anwesenheitsorientiert zu führen, was Studien zufolge der Arbeitseinstellung der Generation Y entgegenkommt.

Mindestens 50 Prozent der Bankarbeitsplätze werden entfallen

Meines Erachtens werden in den kommenden 20 Jahren in Deutschland sogar mehr als 50 Prozent der Bankarbeitsplätze entfallen. Niedrigzins und Kostendruck werden zu weiteren Filialschließungen und Fusionen führen. Der Bundesverband deutscher Banken rechnet sogar mit Fusionen und Übernahmen nicht nur innerhalb der drei Bankengruppen Großbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken, sondern mit gruppenübergreifenden Instituten.

Als Problem der Anpassung der Banken an die neuen Gegebenheiten könnte sich die strenge Regulierung ergeben, die – geht es nach dem Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht – noch weiter verschärft werden soll. Anstatt die kleinen, neuen Wettbewerber der Banken ebenfalls vollumfänglich dieser überbordenden Aufsicht zu unterwerfen, sollten die Aufseher adäquate, einheitliche Regeln schaffen. FinTechs fördern nicht nur den Fortschritt, sondern ersetzen teilweise auch diejenigen Arbeitsplätze, die bei den Banken wegfallen werden. Die Bankenaufsicht steht vor der schwierigen Aufgabe, einerseits die berechtigten Ansprüche an Sicherheit und Risikotragfähigkeit zu erfüllen und andererseits die Zukunftsfähigkeit der Banken und FinTechs nicht zu untergraben.

E-Book „Arbeit 4.0 in der Finanzdienstleistung“

Der Beitrag ist Teil einer Serie über die Auswirkungen der Digitalisierung auf Arbeit und Führung in Banken und Sparkassen. Abonnenten von Der Bank Blog Premium können das 38-seitige E-Book „Arbeit 4.0 in der Finanzdienstleistung“ direkt herunterladen.

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50% weniger Bankarbeitsplätze in Deutschland durch Digitalisierung (2024)

FAQs

Wie sieht die Zukunft der Bank aus? ›

Die Bank der Zukunft setzt auf neue Technologien, digitale Innovationen, digitale Finanzdienstleistungen und kundenorientierte Ansätze, um den Komfort, die Sicherheit und die Effizienz der Finanzgeschäfte zu verbessern. Das Bankgeschäft wird digitaler, persönlicher und intuitiver sein.

Hat die Finanzbranche Zukunft? ›

Der Wandel des Bankensektors geht weiter. Laut einem Bericht von McKinsey stehen viele Finanzinstitute vor einer ungewissen Zukunft, und das zu Recht, denn die Branche befindet sich derzeit in einem tiefgreifenden Transformationsprozess. Eine Neubewertung des gesamten Geschäftsmodells ist für viele Banken unumgänglich.

Wie entwickeln sich Banken? ›

Die rückläufige Entwicklung wird sich nach den bisher veröffentlichten Plänen der Banken weiter fortsetzen. Das Filialnetz der Regionalbanken verringerte sich um 59 auf 954 Zweigstellen. Insgesamt verringerten die Kreditbanken die Zahl ihrer Zweigstellen um 374 (2021: minus 1.279) auf 4.825 Ende 2022.

Hat Bankkaufmann noch Zukunft? ›

Die Chancen, dass dieser Beruf digitalisiert wird, sind laut Job-Futoromat sehr hoch (88%). Viele der Aufgaben in diesem Beruf sind entweder schon automatisiert worden oder werden es in naher Zukunft. Das bedeutet allerdings nicht, dass dieser Beruf vollkommen aussterben wird.

Wird es in Zukunft noch Banken geben? ›

Der deutsche Bankenmarkt steht kurz vor einem großen Umbruch: In 10-15 Jahren wird es statt heute 1.600 nur noch 150 bis 300 Banken in Deutschland geben, die nachhaltig erfolgreiche Geschäftsmodelle haben.

Sind Banken krisensicher? ›

Deutschlands Banken und Sparkassen sind nach Einschätzung der Finanzaufsicht weitgehend krisenfest. "Das Bankensystem zeigt eine zufriedenstellende Resilienz", sagte der für Bankenaufsicht zuständige Vorstand der Deutschen Bundesbank, Joachim Wuermeling, in Frankfurt.

Welche Herausforderungen gibt es aktuell für die Banken in Deutschland? ›

Die Herausforderungen für Banken bleiben trotz Zinswende hoch
  • Benchmarks sind anspruchsvoll. ...
  • Digitale Transformation und Plattform-Ökonomie als Lösungsansätze. ...
  • Marktplätze erfüllen nicht alle Anforderungen. ...
  • Königsklasse: Business Process Outsourcing. ...
  • Nachhaltigkeit als zusätzlicher Treiber.
Jan 30, 2024

Welche Herausforderungen haben Banken? ›

Bankenbranche: Viele Herausforderungen – wenige Lösungen
  • Immer weniger Bargeldzahlungen. Ein Beispiel ist die digitale Geldbörse, die zu den am schnellsten wachsenden Technologiemärkten zählt. ...
  • Balance zwischen Sicherheit und Kundenzufriedenheit. ...
  • Überwindung veralteter Systeme und Prozesse.

Wann rechnen Banken ab? ›

Allgemeine Buchungszeiten: Überweisungen werden meistens während der Geschäftszeiten von Banken bearbeitet, typischerweise zwischen 8:00 und 16:00 Uhr. Überweisungen außerhalb dieser Zeiten werden am nächsten Geschäftstag bearbeitet. Cut-off-Zeiten: Jede Bank hat eine spezifische Cut-off-Zeit für Überweisungen.

Wie aufwändig ist es die Bank zu wechseln? ›

Der Wechsel des Girokontos ist zwar immer auch mit Aufwand verbunden. Die alte und die neue Bank sind inzwischen aber verpflichtet, Ihnen dabei zu helfen. Das Konto übers Internet zu führen, ist in der Regel günstiger. Und auch der Preisvergleich mit ganz anderen Banken und Sparkassen kann sich finanziell lohnen.

Ist die Deutsche Bank krisensicher? ›

Sicherheit für Deutsche Bank Einlagen

Die Deutsche Bank ist im Rahmen der gesetzlichen Einlagensicherung der Entschädigungseinrichtung deutscher Banken GmbH zugeordnet. Diese schützt Einlagen bis zu einer Obergrenze von 100.000 Euro pro Einleger. Maßgeblich ist das Einlagensicherungsgesetz (EinSiG).

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Author: Rueben Jacobs

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Name: Rueben Jacobs

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